Wie der Preis- und Kostendruck aus Asien den deutschen Maschinenbau ins Wanken bringt
Der Tag begann wie jeder andere in der Produktionshalle eines deutschen Maschinenbauers. Die Maschinen liefen, die Auftragsbücher waren gut gefüllt, bis ein als sicher geltender Auftrag plötzlich verloren wurde. Nicht an ein Unternehmen aus Europa, sondern an einen chinesischen Anbieter, der ein nahezu identisches Produkt für einen Bruchteil des Preises anbot. Technisch solide, schnell lieferbar, massiv subventioniert. Kein Einzelfall, sondern zunehmend Realität.
Was lange als Herausforderung im B2C galt, trifft nun mit voller Wucht auch den B2B-Sektor. Deutsche Industrieunternehmen, besonders im Maschinen- und Anlagenbau, stehen unter massivem Preis- und Kostendruck. Im Ursprung finden sich die systematischen Wettbewerbsvorteile asiatischer Hersteller, die mit deutlich günstigeren Produktionskosten, staatlicher Unterstützung und einem enormen Tempo in der Marktdurchdringung operieren.
Dieser Artikel zeigt, wie sich der Preis- und Kostendruck aus Asien in den vergangenen Jahren verändert hat, welche Branchen heute am stärksten betroffen sind und warum „Made in Germany“ allein nicht mehr ausreicht, um auf dem globalen Markt zu bestehen.
Warum asiatische Hersteller so günstig produzieren können
Der Kostenvorteil asiatischer Unternehmen ist kein Zufall. Er ist das Ergebnis einer langfristigen Strategie, die sich aus mehreren Faktoren speist: Geringere Löhne, niedrigere Energiekosten, günstigere Rohstoffe und ein staatlich gefördertes Industrieökosystem schaffen Rahmenbedingungen, die es ermöglichen, selbst komplexe Industrieprodukte deutlich günstiger anzubieten. Gleichzeitig investiert beispielsweise China massiv in Digitalisierung, während viele deutsche Maschinenbauer weiterhin stark auf klassische Ingenieurskunst setzen und die Potenziale digitaler Technologien oft noch zu wenig ausschöpfen.
Hinzu kommt eine enorme Skalierung: Was in Europa als Nischenmarkt gilt, wird in China oft gleich millionenfach gedacht. Das senkt die Stückkosten, beschleunigt die Produktion und verschafft asiatischen Anbietern einen entscheidenden Vorteil, nicht nur preislich, sondern auch zeitlich. Viele Unternehmen dort setzen längst auf vollautomatisierte Fertigung, KI-gestützte Planung und durchdigitalisierte Lieferketten.
Und auch beim Marktzugang hat sich etwas verändert. Plattformen wie Temu oder Shein haben im B2C vorgemacht, wie man internationale Märkte in kurzer Zeit durchdringt. Jetzt übertragen sich diese Mechanismen auf den B2B-Sektor. Wer hier mithalten will, braucht mehr als gute Produkte. Es braucht ein tiefes Verständnis für Marktveränderungen und die Bereitschaft, aktiv zu reagieren.
Wie der Preiskampf aus dem B2C jetzt die Industrie erreicht
Lange galt der globale Preis- und Kostendruck als Thema für den Konsumgütermarkt. Haushaltsgeräte, Unterhaltungselektronik, Textilien, wer hier bestehen wollte, musste längst mit asiatischen Anbietern konkurrieren. Unternehmen wie AliExpress haben gezeigt, wie sich günstige Produkte in kürzester Zeit weltweit verbreiten lassen. Der Wettbewerb war hart, aber begrenzt auf standardisierte Ware.
In den letzten Jahren hat sich das verändert. Der Preiswettbewerb hat sich ausgedehnt, von einfachen Produkten hin zu hochwertigen Konsumgütern, etwa in der Automobilindustrie. Chinesische Hersteller entwickeln mittlerweile Fahrzeuge speziell für den europäischen Markt, technologisch auf Augenhöhe und zunehmend auch mit Blick auf Qualität und Design.
Doch damit nicht genug. Aktuell erreicht dieser Wandel auch den B2B-Bereich. Investitionsgüter wie Maschinen oder Steuerungstechnik dafür sind genau die Felder, in denen deutsche Unternehmen bisher als nahezu unangreifbar galten. Kund:innen vergleichen nicht mehr nur Funktionalität und Zuverlässigkeit. Sie stellen zunehmend die Frage: Was bekomme ich für welchen Preis?
Für viele Unternehmen in der Industrie bedeutet das: Der Schutzraum bröckelt. Die Lektionen aus dem B2C-Bereich könnten sich im B2B bald wiederholen, wenn nicht jetzt gehandelt wird.
Der Preis allein darf nicht das letzte Argument sein. Industrieunternehmen müssen jetzt gezielt in Innovation, Digitalisierung und neue Geschäftsmodelle investieren, um sich vom globalen Preiskampf zu lösen.”
Matthes Hoof, Business Manager Industry
Billig bedeutet längst nicht mehr gleich schlecht
„Günstig, aber dafür minderwertig“. Dieses Bild von Produkten aus Asien hält sich in vielen Köpfen hartnäckig. Und ja, es hatte lange Zeit auch eine gewisse Berechtigung. Doch wer heute noch davon ausgeht, dass chinesische Produkte grundsätzlich schlechter verarbeitet, weniger leistungsfähig oder weniger langlebig sind, unterschätzt die Entwicklung der letzten Jahre massiv.
Denn während viele europäische Unternehmen auf Optimierung setzen, denken asiatische Hersteller längst in Sprüngen. Sie investieren massiv in Forschung, Digitalisierung und moderne Fertigungstechnologien. In einigen Bereichen, etwa bei E-Mobilität, Batterieproduktion oder Elektronik, zählen sie bereits zu den globalen Technologieführern.
Ein zusätzlicher Hebel: Geschwindigkeit. Während europäische Entwicklungsprozesse oft von regulatorischen Hürden, langen Abstimmungen und komplexen Lieferketten geprägt sind, agieren viele asiatische Unternehmen schnell, datengetrieben und mutig. Sie überspringen Phasen, die in Europa Jahrzehnte gebraucht haben, und setzen direkt auf KI, Plattformlogik und automatisierte Skalierung.
Heißt das, alle asiatischen Produkte sind hochwertig? Nein. Der Markt ist unübersichtlich und qualitativ nach wie vor durchwachsen. Doch die Zahl der Anbieter, die nicht nur günstig, sondern auch gut liefern, steigt rasant. Für deutsche Unternehmen heißt das: Der reine Verweis auf Qualität reicht nicht mehr aus. Er muss erlebbar, überprüfbar und differenzierend sein.
Wie schnell kann geliefert werden?
Gibt es verlässliche Services?
Ist das Unternehmen auch in fünf Jahren noch Ansprechpartner?
Fazit: Stillstand ist keine Option
Der Preis- und Kostendruck aus Asien ist keine temporäre Marktverzerrung. Er ist das Ergebnis einer konsequent verfolgten Strategie und er verändert die Spielregeln. Für deutsche Industrieunternehmen reicht es nicht mehr, auf bestehende Stärken zu vertrauen. Qualität, Erfahrung und Ingenieurskunst bleiben wichtig, aber sie allein sichern keine Aufträge mehr.
Auch im Bereich der Investitionsgüter, besonders im Maschinenbau, zeigt sich: Wer heute wettbewerbsfähig bleiben will, muss neue Wege gehen. Das bedeutet nicht, alles infrage zu stellen, was sich bewährt hat. Es bedeutet, die eigenen Stärken gezielt weiterzuentwickeln und den Kund:innen echte Mehrwerte zu bieten, die über den Preis hinausgehen.
In Teil 2 zeigen wir, wie genau das gelingen kann. Wir stellen vier konkrete Strategien vor, mit denen sich deutsche Industrieunternehmen erfolgreich gegen den Preis- und Kostendruck aus Asien behaupten. Praxisnah, umsetzbar und mit einem klaren Ziel: Zukunft sichern, ohne sich zu verbiegen.