EU Data Act: Das neue Datengesetz für IoT, Energie & Industrie

Beim Hasewind Digital – powered by slashwhy Barcamp in Osnabrück wurde deutlich: Der EU Data Act verändert den Umgang mit Maschinendaten grundlegend. Was bisher in geschlossenen Systemen verborgen blieb, wird künftig für andere Interessengruppen zugänglich. Im Video sprechen wir mit Rechtsanwalt Matthias Niebuhr darüber, wie der Data Act den Zugang zu Anlagendaten öffnet und was notwendig ist, um aus Daten echten Nutzen zu ziehen.

03. November 2025, vonJohannes Kasch & Matthias NiebuhrinCleanTech & Gastbeitrag

Was sich durch das Datengesetz "EU Data Act" ändert

Seit dem 12. September 2025 ist der EU Data Act in allen Mitgliedsstaaten verbindlich. Sein Ziel: Daten aus vernetzten Geräten sollen nicht länger ausschließlich beim Hersteller liegen, sondern auch von den Nutzer:innen und Betreiber:innen genutzt werden können.

Das betrifft alle Branchen, in denen Maschinen, Geräte oder Sensoren Daten erzeugen – von der Industrie über Landwirtschaft und Mobilität bis hin zur Energieversorgung. Beim Hasewind Digital Barcamp haben wir mit Matthias Niebuhr insbesondere über die Auswirkungen im Bereich erneuerbare Energien gesprochen, wo der Datenzugang besonders große Chancen eröffnet.

In der Windenergie etwa lagen Betriebsdaten bisher ausschließlich beim Hersteller der Turbine. Jetzt können Betreiber:innen selbst erkennen, wie sich der Zustand ihrer Anlagen entwickelt, Wartungen besser planen und Ausfallzeiten vermeiden. Für Hersteller bedeutet der Data Act gleichzeitig neue Pflichten: Sie müssen Schnittstellen schaffen, über die Nutzungsdaten sicher exportiert werden können. Das ist mit Aufwand verbunden, schafft aber langfristig einen faireren Wettbewerb und mehr Innovation, weil datenbasierte Services nicht mehr an einzelne Anbieter gebunden sind.

Ohne Software bleibt der Data Act ein Papiertiger. Erst wenn Daten strukturiert, analysiert und visualisiert werden, entsteht daraus ein echter Mehrwert für Betreiber:innen, Entwickler:innen und letztlich für die gesamte Energiewende.”

Matthias Niebuhr beim "Hasewind Digital - powered by slashwhy" Barcamp

Warum Daten allein nicht ausreichen

Der EU Data Act schafft erstmals den rechtlichen Rahmen, um auf Maschinendaten zuzugreifen. Allerdings ist damit nur der erste Schritt getan, denn Daten entfalten ihren Wert erst, wenn sie verarbeitet, interpretiert und in einen wirtschaftlichen oder technischen Zusammenhang gebracht werden. In der Praxis bedeutet das: Software-Lösungen müssen die Daten aufnehmen, strukturieren und analysieren, damit daraus verwertbare Informationen entstehen. Erst dann werden Anwendungen wie Predictive Maintenance, Asset-Bewertung oder Leistungsoptimierung möglich.

Mehrere Studien unterstreichen diese Erkenntnis

  • Gartner weist darauf hin, dass viele Datenprojekte scheitern, weil die Grundlagen fehlen. Das wären z. B. klare Zuständigkeiten, Datenqualität und Governance-Strukturen. Ohne diese Basis bleibt Datenanalyse reaktiv und unzuverlässig. (Quelle: https://www.gartner.com/en/data-analytics/topics/data-quality)

  • Im Forbes Tech Council wird betont, dass Unternehmen oft riesige Datenmengen sammeln, aber nur selten in der Lage sind, sie in konkrete Handlungsentscheidungen zu übersetzen. Es fehlt an Strategie, Priorisierung und geschultem Personal. (Quelle: https://www.forbes.com/councils/forbestechcouncil/2025/06/16/bridging-the-intelligence-gap-why-data-alone-isnt-enough/)

  • Eine wissenschaftliche Fallstudie von Konstantin Hopf (2022) zeigt: Selbst kleine Datensätze können großen Nutzen bringen. Dabei ist vorausgesetzt, dass es klare Ziele, analytische Kompetenzen und strukturierte Prozesse gibt. Entscheidend ist also nicht die Menge, sondern der Umgang mit den Daten. (Quelle: https://www.researchgate.net/publication/359801118_Value_creation_from_analytics_with_limited_data_a_case_study_on_the_retailing_of_durable_consumer_goods)

Ein greifbares Beispiel aus der Windenergie

Wenn Sensoren frühzeitig Veränderungen im Schwingungsverhalten einer Anlage erkennen, lässt sich der Wartungszeitpunkt gezielt planen, lange bevor ein Defekt entsteht. Das spart Kosten, reduziert Stillstandzeiten und verlängert die Lebensdauer der Anlage. Je stärker Unternehmen also ihre Datenkompetenz und Analysefähigkeiten ausbauen, desto größer wird das Potenzial, das sie aus dem EU Data Act ziehen können. Und das nicht nur im Energiesektor, sondern in allen datengetriebenen Branchen.

Foto-Eindrücke vom "Hasewind Digital – powered by slashwhy" Barcamp in Osnabrück

Welche Unternehmen profitieren vom EU Data Act?

Der EU Data Act ist grundsätzlich branchenübergreifend angelegt. Er betrifft alle Produkte, die während ihres Betriebs Daten erzeugen und vernetzt sind. Vom Windrad über die Werkzeugmaschine bis zum Traktor oder Smart Device. Damit zählt er zu den wichtigsten europäischen Digitalgesetzen der letzten Jahre, weil er den Zugang zu Maschinendaten neu regelt und damit Innovation, Transparenz und Wettbewerb fördert.

Allerdings gilt er nicht uneingeschränkt: Entscheidend ist, ob ein Produkt als „connected product“ im Sinne des Gesetzes gilt, also Daten erzeugt, die über eine digitale Schnittstelle ausgelesen werden können. Daten, die stark abgeleitet, personenbezogen oder durch andere Rechtsrahmen geschützt sind (z. B. Geschäftsgeheimnisse oder Gesundheitsdaten), unterliegen zusätzlichen Einschränkungen.

So profitiert der Energiesektor vom EU Data Act

In der Energiebranche, besonders bei Wind- und Solaranlagen, ist das Potenzial enorm. Betreiber:innen erhalten künftig Zugang zu Betriebsdaten, die bislang nur Herstellern vorbehalten waren. Das eröffnet neue Möglichkeiten für:

Predictive Maintenance: Frühzeitige Wartung auf Basis von Sensorwerten und Leistungsdaten.

Asset-Bewertung: Realistische Einschätzung des Anlagenzustands über Daten statt Schätzungen.

• Effizienzsteigerung: Laufende Optimierung von Erträgen und Betriebsstrategien.

Der Data Act schafft hier die Grundlage, um Energieanlagen smarter, sicherer und wirtschaftlicher zu betreiben.

So profitieren Industrie & Maschinenbau vom EU Data Act

In der Industrie können Unternehmen künftig deutlich unabhängiger von Herstellern agieren. Maschinenbetreiber:innen erhalten Zugriff auf Leistungs-, Wartungs- und Qualitätsdaten, die bisher in proprietären Systemen verschlossen waren. Das ermöglicht:

Transparente Wartungs- und Betriebsstrategien, ohne auf Herstelleranalysen angewiesen zu sein.

Neue Geschäftsmodelle, etwa für datenbasierte Ersatzteil- oder Serviceangebote.

Mehr Wettbewerb, weil offene Schnittstellen Innovation bei Drittanbietern fördern.

Der Data Act wirkt hier als Katalysator für die nächste Stufe von Industrie 4.0: offene Datenräume statt geschlossener Systeme.

Maschinen mit Sensoren auszustatten und Daten zu sammeln ist ein guter Start. Aber die Daten werden erst dann richtig wertvoll, wenn man sie durch Interpretation, Entscheidungen und echte Verantwortung "veredelt". Sie müssen in einen konkreten Kontext eingebettet werden. Sie brauchen Struktur, Ziele und manchmal auch den Mut, Dinge zu verändern. Kurz: Daten sammeln kann jeder. Entscheiden und die gesammelten Daten "veredeln" ist die wahre Kunst.”

Matthes Hoof, Business Manager Industry Software bei slashwhy

So profitiert die Landwirtschaft vom EU Data Act

Auch in der Agrartechnik sorgt der Data Act für Bewegung. Landmaschinen, Bewässerungs- oder Sensoriksysteme generieren große Mengen an Betriebsdaten, z. B. zu Bodenfeuchte, Verbrauch oder Effizienz. Diese Daten stehen künftig nicht mehr nur den Geräteherstellern, sondern auch Landwirt:innen selbst zur Verfügung. Das eröffnet Chancen für:

Bessere Ernteplanung durch Zugriff auf Echtzeitdaten.

Unabhängige Agrarplattformen, die Maschinen verschiedener Hersteller integrieren.

Nachhaltigkeitsberichte, die auf realen Betriebsdaten basieren statt auf Schätzungen.

So profitiert der Bereich Smart Devices & Consumer Electronics vom EU Data Act

Vom E-Auto bis zur vernetzten Waschmaschine, auch im privaten Bereich wird der Data Act Wirkung zeigen. Hersteller müssen Nutzer:innen künftig Zugriff auf Nutzungs- und Verbrauchsdaten ermöglichen. Das bedeutet:

Mehr Transparenz über Energieverbrauch und Produktnutzung.

Einfacherer Wechsel von Service- oder Reparaturanbietern.

Neue App- und Plattformmodelle, die Gerätehersteller übergreifend verbinden.

So entsteht langfristig ein faireres digitales Ökosystem, das Endnutzer:innen mehr Kontrolle über ihre eigenen Daten gibt.

So profitieren Medizintechnik & HealthTech vom EU Data Act

In der Medizintechnik gilt der Data Act grundsätzlich, jedoch mit Einschränkungen. Medizinische Geräte wie Diagnosesysteme können als „connected products“ gelten, wenn sie betriebsrelevante Nutzungsdaten erzeugen. Diese Daten dürfen künftig auch Patient:innen, Ärzt:innen oder Einrichtungen zugänglich gemacht werden, sofern sie nicht personenbezogen oder sicherheitskritisch sind. Das schafft:

Mehr Transparenz über Funktionsweise und Zuverlässigkeit von Geräten.

Neue Forschungs- und Entwicklungsansätze durch aggregierte, anonymisierte Daten.

Potenzial für KI-gestützte Diagnosen, wenn Daten sicher und standardisiert geteilt werden können.

Wichtig: In der Medizintechnik greifen weiterhin spezielle Vorschriften wie die Medizinprodukteverordnung (MDR) und die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Der EU Data Act ergänzt diese Regeln, ersetzt sie aber nicht.

Fazit: Datenzugang ist erst der Anfang

Der EU Data Act markiert einen wichtigen Wendepunkt im europäischen Datenrecht. Er macht aus geschlossenen Systemen offene Datenräume und ermöglicht, dass Informationen aus vernetzten Geräten nicht länger nur den Herstellern gehören, sondern auch den Nutzer:innen und Betreiber:innen zugutekommen. Doch der reine Datenzugang reicht nicht aus: Erst durch Software, Datenkompetenz und Ingenieurwissen entstehen echte Mehrwerte. Hier kommen Software- und Datenanbieter:innen ins Spiel: Sie schaffen die Schnittstellen, Tools und Analysen, die Rohdaten in Erkenntnisse verwandeln.

Gleichzeitig bleibt Verantwortung zentral. Daten müssen sicher verarbeitet, fair geteilt und im Einklang mit bestehenden Rechtsrahmen genutzt werden. Nur wenn Transparenz, Datenschutz und Innovation zusammen gedacht werden, entfaltet der Data Act sein Potenzial.

Für Unternehmen in allen Branchen bedeutet das: Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, sich mit den eigenen Datenstrategien und Schnittstellenfähigkeiten auseinanderzusetzen. Denn wer heute die Grundlagen legt, kann morgen aus Daten nicht nur mehr erfahren, sondern auch mehr erreichen.

Über die Autoren

  • johannes-kasch

    Über Johannes Kasch

    Komplizierte Themen aus der Digitalwirtschaft möglichst einfach erklären und emotional aufladen: Diese Mission verfolgt Johannes Kasch in seiner täglichen Arbeit bei slashwhy. Als Content Marketing Specialist ist er z.B. in unsere Social Media Profile und diesen Blog involviert. Mit 10 Jahren Erfahrung in Medienproduktion, Brand Building und Redaktion unterstützt der studierte Kommunikationswissenschaftler unsere Branchenexpert:innen beim Vermitteln von Fachwissen oder gibt unseren Leser:innen Einblick in spannende Software-Projekte.

  • Foto von Matthias Niebuhr (BDO)

    Über Matthias Niebuhr

    Matthias Niebuhr ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für IT-Recht bei BDO Legal in Berlin. Er beschäftigt sich mit Fragestellungen der Digitalisierung, insbesondere mit der aus der EU kommenden Gesetzgebung. Er ist Mitglied der Expertengruppe für B2B Datenaustauschverträge, die für die EU Kommission Mustervertragsklauseln für den Data Act entwickelt hat.