Stromnetz am Limit? E-Autos als Speicherlösung
Der weltweite Energiebedarf steigt. Prognosen zufolge wird der Primärenergieverbrauch bis 2050 auf über 645 Exajoule anwachsen. Gleichzeitig setzen immer mehr Länder auf erneuerbare Energien, um Emissionen zu senken. Doch Wind und Sonne liefern Strom nicht auf Abruf, sie sind abhängig von Tageszeit und Wetter. Ihre Einspeisung ins Netz ist volatil. Deshalb braucht es mehr Flexibilität. Das Stromnetz muss flexibler, dezentraler und intelligenter werden, um diese Schwankungen auszugleichen.
Hier kommen Elektroautos ins Spiel. Und zwar auf eine Weise, die viele überrascht. Denn in der öffentlichen Diskussion werden sie oft als zusätzliche Belastung für das Stromnetz dargestellt. Dabei steckt in ihnen ein riesiges, bislang kaum genutztes Potenzial: Als mobile Speicher könnten sie helfen, das Netz zu stabilisieren, anstatt es zu überlasten.
E-Autos können nicht nur Strom aufnehmen, sondern auch gezielt zurückspeisen. Nämlich dann, wenn der Bedarf hoch ist oder das Netz an seine Grenzen stößt. Was heute für viele noch nach Science-Fiction klingt, ist technisch längst möglich und könnte sich schon bald als echter Hebel für die Energiewende erweisen.
In diesem Artikel zeigen wir, was hinter bidirektionalem Laden steckt, welche Herausforderungen es noch gibt und warum es sich lohnt, jetzt darüber nachzudenken.
Das versteht man unter bidirektionalem Laden
Der Begriff beschreibt die Fähigkeit eines Elektroautos, nicht nur Strom aufzunehmen, sondern auch wieder abzugeben – und zwar kontrolliert und intelligent.
Zwei zentrale Anwendungsszenarien stehen dabei im Fokus:
Vehicle-to-Home (V2H): Das Auto versorgt das eigene Haus mit Strom. Beispielsweise abends, wenn der Strombedarf steigt und die Sonne längst untergegangen ist. Besonders sinnvoll wird das in Kombination mit einer Photovoltaikanlage: Tagsüber wird geladen, nachts genutzt.
Vehicle-to-Grid (V2G): Das Auto speist Strom ins öffentliche Netz zurück, genau dann, wenn der Bedarf hoch ist. Damit wird es vom passiven Verbraucher zum aktiven Teil der Energieinfrastruktur.
Was zunächst nach Spielerei klingt, entpuppt sich als echter Hebel für die Energiewende. Millionen vernetzte Fahrzeuge könnten zur Netzstabilität beitragen, vorausgesetzt, sie werden intelligent gesteuert. Denn nicht nur die bidirektionale Wallbox ist entscheidend, sondern die dahinterliegende Software, die erkennt: Wann speichern? Wann entladen?
Darum ist bidirektionales Laden (noch) nicht Standard
Die Technik ist reif. Auch das Interesse ist groß: Laut einer E.ON-Umfrage wären über 74 % der Hausbesitzenden mit E-Auto bereit, den Fahrzeugakku als Speicher zu nutzen. Dennoch ist bidirektionales Laden bislang kaum verbreitet.
Warum? Die Gründe liegen nicht in der Hardware, sondern in der Lücke zwischen Potenzial und Realität:
Drei häufige Missverständnisse:
„E-Autos belasten das Netz nur zusätzlich.“
Noch immer hält sich hartnäckig die Annahme, Elektroautos seien primär eine Belastung für das Stromnetz. Doch wer nur den Stromverbrauch sieht, verkennt das enorme Speicherpotenzial, das in jeder Fahrzeugbatterie steckt. Statt das Netz zu überlasten, können E-Autos es aktiv stützen, wenn man sie lässt.
„Das ist nur was für Eigenheime mit Photovoltaik.“
Auch das greift zu kurz. Denn auch für Unternehmen mit Fuhrpark, Handwerksbetriebe oder Logistikzentren bieten sich neue Möglichkeiten, von der Eigenverbrauchsoptimierung bis zur gezielten Lastspitzenkappung.
„Da fehlt’s nur an Wallboxen.“
Tatsächlich ist die Hardware in vielen Fällen längst bereit. Was fehlt, ist eine smarte Steuerung. Software, die entscheidet, wann geladen und wann gespeist wird. Dazu kommen fehlende Standards, fragmentierte Schnittstellen, regulatorische Unklarheit und ein Markt, der sich noch nicht auf einheitliche Modelle geeinigt hat.
Die Hürden liegen weniger in der Technik als in einem Puzzle aus Schnittstellen, Geschäftsmodellen und Kommunikation. Doch das Gute daran: Jedes dieser Teile lässt sich lösen und damit der Weg freimachen für eine Technologie, die weit mehr ist als ein Trend.
wie viel Strom wo gebraucht wird,
wie hoch die aktuelle Netzauslastung ist,
welche Strompreise gelten,
und wie die individuelle Nutzung des Fahrzeugs aussieht.
Sie berücksichtigen Wetterdaten, prognostizieren Photovoltaik-Erträge und kennen das Nutzer:innenverhalten. So können sie dynamisch entscheiden: Wann wird geladen? Wann entladen? Wann bleibt der Akku unangetastet?
Ein gutes Beispiel sind Wärmepumpen: Auch sie können, gesteuert durch smarte Systeme, Lastspitzen vermeiden, indem sie Energie dann ziehen, wenn das Netz entlastet werden kann. Das gleiche Prinzip lässt sich auf Elektrofahrzeuge übertragen, nur mit einem deutlich größeren Hebel. Denn die Akkukapazitäten von E-Autos sind nicht nur erheblich, sie sind auch mobil, flächendeckend verteilt und potenziell rund um die Uhr verfügbar.
Die Vorteile liegen auf der Hand: Lastspitzen können geglättet, Netzinfrastrukturen geschont und die Integration erneuerbarer Energien effizienter gestaltet werden. Nutzer:innen wiederum profitieren von günstigeren Strompreisen, indem sie ihr Ladeverhalten an Preisentwicklungen anpassen und tragen gleichzeitig aktiv zur Netzstabilität bei. Die Software denkt mit. Und manchmal sogar voraus.
Bidirektionales Laden ist nur dann effizient, wenn es intelligent gesteuert wird. Und das heißt: Software, die versteht, wann Energie wirklich gebraucht wird und wo sie gerade den größten Effekt hat.”
Yannik Bisanz, Product Owner CleanTech
Wer profitiert durch bidirektionales Laden?
Bidirektionales Laden ist keine Lösung für eine einzige Zielgruppe, es ist ein Konzept mit Mehrwert auf mehreren Ebenen: Für Energieversorger, Unternehmen und Privatpersonen.
Energieversorger bekommen mit vernetzten Fahrzeugflotten eine dezentrale Speicherlandschaft, die das Netz stützen kann, ganz ohne neue Kraftwerke bauen zu müssen. Wenn tausende Autos genau dann einspeisen, wenn die Frequenz kippt, wird Netzstabilität zur kollektiven Aufgabe. Die wirtschaftlichen Vorteile, die sich dadurch ergeben: Rückspeiseverträge, dynamische Tarife und smarte Lastverschiebung eröffnen ganz neue Geschäftsmodelle.
Unternehmen und Flottenbetreiber profitieren doppelt: Sie sparen durch intelligentes Ladeverhalten Kosten, etwa durch die Vermeidung von teuren Lastspitzen, und erschließen gleichzeitig neue Einnahmequellen durch gezielte Rückspeisung ins Netz. Zudem kann bidirektionales Laden zum strategischen Baustein ihrer Nachhaltigkeitsziele werden, ganz konkret und messbar.
Privatpersonen nutzen ihr E-Auto nicht nur für Mobilität, sondern auch als aktiven Teil ihrer Energieversorgung. Wer eine Photovoltaikanlage besitzt, kann seinen selbst erzeugten Strom direkt im Auto speichern und ihn abends ins Haus zurückführen. Das senkt Stromkosten, macht unabhängiger und bietet im besten Fall sogar eine Backup-Lösung bei Stromausfällen. Hinzu kommen Fördermöglichkeiten, steuerliche Vorteile und ein echtes Plus an Zukunftssicherheit: Wer heute bidirektional denkt, macht sein Zuhause fit für morgen.
Es ist also nicht nur die Technik, die überzeugt. Es ist die Vielfalt an Möglichkeiten, die sie bietet und die Tatsache, dass jede:r mitmachen kann: Egal ob Netzbetreiber, Fuhrparkmanager:in oder Hausbesitzer:in mit Solardach.
Fazit: Bidirektionales Laden wird erst mit Software richtig stark
Bidirektionales Laden hat das Potenzial, unsere Stromversorgung grundlegend zu verändern. Es zeigt, dass Elektrofahrzeuge mehr sein können als mobile Fortbewegungsmittel. Sie werden zu dezentralen Speichern, die Strom genau dann bereitstellen, wenn er gebraucht wird.
Doch dieses Zusammenspiel aus Fahrzeug, Gebäude und Netz funktioniert nur, wenn die dahinterliegenden Prozesse intelligent gesteuert werden. Software ist der Schlüssel, um Komplexität beherrschbar zu machen und Entscheidungen automatisiert, sicher und effizient zu treffen. Von der Analyse der Netzauslastung bis zur Optimierung des Ladezeitpunkts. Digitale Lösungen verwandeln theoretisches Potenzial in gelebte Praxis.
Genau hier setzen wir bei slashwhy an: Wir entwickeln passgenaue Softwarelösungen, die Technologien wie das bidirektionale Laden in bestehende Systeme integrieren und für Unternehmen, Energieversorger und Nutzer:innen sinnvoll nutzbar machen. Technisch robust, intuitiv in der Anwendung und zukunftssicher gedacht.