Wirksame Produkt-Gestaltung statt Feature-Verwaltung

Warum Product Owner ihre Rolle mutiger – und kommunikativer – ausfüllen sollten.

vonOliver WinterinAgilität, Events & Gastbeitrag

Wenn ich in Coachings, Trainings oder auf Konferenzen mit Product Ownern spreche, höre ich immer noch zu oft Sätze wie:

„Ich kann nur priorisieren, was die Stakeholder mir kommunizieren.”
„Produktstrategie? Dafür ist bei uns das Management zuständig.“
„Ich darf ja gar nicht entscheiden, welche Features ins Produkt kommen.“

Diese Aussagen sind kein Ausdruck von fehlender Kompetenz unter den POs, die ich kenne. Denn viele Product Owner arbeiten sehr engagiert, durchaus methodensicher und vertrauensvoll mit ihrem Entwicklungsteam zusammen. Und trotzdem wirken sie teilweise wie Getriebene. Ihre Verantwortlichkeit wird reduziert auf das Einsammeln von Anforderungen, das Pflegen des Product Backlogs oder das Planen des nächsten Sprints. Doch:

Product Ownership ist mehr als gepflegte Tickets.”

Ein erfolgreiches Produkt, welches Probleme der Nutzer:innen löst und die Ziele des Unternehmens erreicht, entsteht nicht aus einer immer effektiveren Lieferung einzelner, teilweise unzusammenhängender Features. Es ist das Ergebnis mutiger Entscheidungen, einer klaren und motivierenden Produktvision sowie eines echten Verständnisses für den Kontext der Nutzer:innen. Dazu braucht es Product Owner, die ihren aktuellen Verantwortungsbereich überdenken und ihre Rolle aktiv (mit)gestalten wollen.

Wirkung vor Verwaltung

Viele POs möchten mehr Verantwortung übernehmen, vor allem für strategische Fragestellungen rund um das eigene Produkt. Und immer mehr Organisationen lassen das meiner Erfahrung nach auch zu. Falls diese Veränderungen in den Unternehmen vorangetrieben werden, merken viele POs, dass ihnen schlicht das Handwerkszeug fehlt, um auch bei den strategischen Themen sicher und wirksam zu agieren. Denn es stellen sich viele neue, teilweise unbekannte Fragen, z. B. was es heißt, aus einer Produktvision eine North Star abzuleiten oder unterschiedliche Erwartungen und Ziele von Stakeholdern in Einklang zu bringen. Es dreht sich oft um zeitlich, budgetär weitreichende Entscheidungen, die auch gegen einflussreiche Personen getroffen und entsprechend kommuniziert werden müssen.

Im Kern geht um ein anderes Bild von Ownership:

Product Ownership bedeutet, Verantwortung zu übernehmen – auch für Dinge, die nicht in meiner Rollenbeschreibung stehen.”

Genau diese Haltung macht einen entscheidenden Unterschied zwischen Feature Delivery und echtem Product Ownership aus.

Impact First statt Framework First

Dieses Thema trifft auch einen Nerv der aktuellen Diskussion in der Product Community. Einer meiner Lieblingsautoren, Matt LeMay, beschreibt in seinem neuen Buch Impact First Product Teams, wie sich Produktteams von reiner Framework-Logik lösen und stattdessen echte Wirkung in den Mittelpunkt stellen müssen.

Nicht Prozesse oder Rollenverteilung sollen unser Denken bestimmen, sondern Verantwortungsübernahme, Kontext und Fokus auf den unternehmerischen Erfolg des Produktes.”

Es geht nicht darum, was wir liefern, sondern warum, für wen und was dies wirklich verändert. 

Kommunikation ist Kernkompetenz

Wenn ich gefragt werde, welche Skills ein starker Product Owner braucht, dann ist meine Antwort seit Jahren dieselbe und sie wird meines Erachtens immer relevanter: Kommunikationsfähigkeit.

Es geht mir hierbei nicht um die Fähigkeit, Meetings perfekt zu moderieren oder besonders eloquent zu präsentieren. Ich glaube, dass bei jedem Product Owner eine Bereitschaft existieren muss, immer wieder größtmögliche Klarheit zu schaffen, auch wenn diese unbequem erscheint.

Denn wer Produkte gestalten will, muss unterschiedliche Meinungen aushalten, unterschiedliche Perspektiven zusammenbringen und gemeinsam getroffene Entscheidungen vertreten können. Wie sagt der oben bereits erwähnte Matt LeMay so schön:

Clarity over Comfort.

Es mag in vielen Situationen bequemer sein, selber vage zu bleiben. Doch auf Dauer entsteht dadurch auf Seiten der Developer, Stakeholder und nicht zuletzt auch bei uns Unsicherheit.

Du brauchst als PO den Mut, unangenehme Dinge klar anzusprechen – sonst wird aus deinem Product Backlog schnell ein Wunschzettel.”

Und genau deshalb ist Kommunikation für mich kein Soft Skill, sondern ein strategisches Werkzeug, an dem jeder PO arbeiten muss.

Rolle überdenken –
nicht Funktion erfüllen

In meiner Keynote auf der /POWorld 2025 in Osnabrück möchte ich dazu einladen, das eigene Rollenverständnis zu hinterfragen, damit mehr Ownership gelebt werden kann, auch wenn die Rahmenbedingungen dafür nicht perfekt sind.

Denn Product Ownership beginnt nicht mit dem Liefern von Features, sondern beim Denken. Und es gelingt dort, wo Menschen Verantwortung übernehmen und sich befähigen lassen. Mit Neugier, Klarheit und einem klaren Fokus auf Impact.


Über den Autor

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    Über Oliver Winter

    Oliver Winter ist Product Coach mit Fokus auf nutzerzentrierte, agile Produktentwicklung und Mitgründer von Die Produktwerker. Mit langjähriger Erfahrung in Startups und Konzernen unterstützt er Teams dabei, digitale Produkte zu entwickeln, die echten Mehrwert stiften – für Nutzer:innen wie für das Unternehmen. Dabei verbindet er strategisches Denken mit operativer Exzellenz und legt besonderen Wert auf Klarheit im Prozess, echte Kundennähe und cross-funktionale Zusammenarbeit. Ob im Coaching, in der Entwicklung einer Produktstrategie oder im Sparring – Oliver bringt Empathie, Struktur und unternehmerisches Denken zusammen, um nachhaltige Wirkung zu erzielen.