Batteriemanagement: Starke Hardware, schlechte Software?
Batteriespeicher sind mehr als Energiespeicher. Sie sind das Rückgrat eines flexiblen Stromnetzes. Doch ihr volles Potenzial entfalten sie erst, wenn Software physikalische, wirtschaftliche und netzseitige Faktoren intelligent verbindet. Im Experten-Talk mit Electrofleet zeigen wir, wie digitales Batteriemanagement die Energiewende beschleunigen kann.
Batteriespeicher gelten als Rückgrat der Energiewende. Doch obwohl ihre Kapazitäten stark wachsen, bleiben viele Systeme ungenutzt oder schlecht integriert. Laut Branchenexperten liegt das weniger an der Hardware, sondern an fehlenden wirtschaftlichen Anreizen, regulatorischen Hürden und mangelnder intelligenter Steuerung.
Im Gespräch zwischen Niklas Tüpker, Business Manager der CleanTech Software Abteilung bei slashwhy, und Mark Hellmann Regouby, Geschäftsführer von Electrofleet, wird deutlich: Erst wenn Batteriesysteme intelligent vernetzt, datengetrieben gesteuert und wirtschaftlich eingebunden werden, können sie ihr volles Potenzial für Netzstabilität, Wirtschaftlichkeit und eine nachhaltige Energieversorgung entfalten.
Hinweis: Dieses ist #1 von insgesamt 4 Gesprächen zwischen Niklas Tüpker und Mark Hellmann Regouby.
Fragen & Antworten aus dem Interview
Welche Rolle spielen Batteriespeicher aktuell im Energiemix?
Mark beschreibt den Status quo als „very early days“. Zwar seien in Deutschland bereits rund 7 Gigawatt Batteriespeicher installiert – ein beachtlicher Fortschritt –, doch im Verhältnis zur durchschnittlichen Netzlast von etwa 60 Gigawatt bleibe das Potenzial weitgehend ungenutzt. Das Problem liege weniger in der Menge, sondern in der Anbindung: Viele Speicher seien private Systeme, „not always behind smart meters“ und „not always steerable“. Sie lösten lokale Probleme, trügen aber kaum zur Netzstabilität im großen Maßstab bei.
Sein Fazit: Die nächste Stufe der Energiewende wird nur gelingen, wenn dezentrale Speicher besser vernetzt und aktiv steuerbar werden, damit sie nicht länger „wasted on the grand scheme of things“ bleiben.
Wann wird Energiespeicherung zum echten Entlastungsfaktor fürs Netz?
Für Mark ist klar: Ohne wirtschaftliche Anreize wird es keine breite Wirkung geben. „It won’t happen at scale unless there is a market incentive – a market-based reward for acting and allocating capital to it“, sagt er. Die Energiewirtschaft benötige Investitionen in Billionenhöhe, die allein über öffentliche Gelder nicht finanzierbar seien. Erst wenn sich tragfähige Marktmechanismen etablieren, könne Kapital in großem Stil in Batteriesysteme fließen.
Heute beginne sich genau das zu verändern: Betreiber erkennen, dass neue Geschäftsmodelle entstehen, die sich wirtschaftlich rechnen. Für Mark ist das der entscheidende Wendepunkt: „Once the economic model is clear, the capital will follow.“ Dann könnten Batteriespeicher endlich zu einem echten Entlastungsfaktor für das Stromnetz werden.
Wie wichtig ist intelligentes Batteriemanagement für die Netzdienlichkeit?
„That’s the holy grail“, sagt Mark, wenn es um intelligentes Batteriemanagement geht. Denn moderne Batteriesysteme sind komplexe Verbünde aus vielen Zellen, Modulen und Racks. Und schon bei einer schwachen Zelle bestünde die Gefahr „to infect a module“, was zur Minderung der Gesamtleistung führen würde.
Ein leistungsfähiges Battery Management System (BMS) müsse daher auf mehreren Ebenen agieren: Es geht um das physikalische Balancing einzelner Zellen, um die Optimierung von Verbrauch und Erzeugung, aber auch um die ökonomische Steuerung. „We have the demand and consumption optimization layer, then the economic layer“, erklärt Mark. Diese Mehrdimensionalität mache intelligentes Batteriemanagement zu einer der zentralen Disziplinen der Energiewende und zu einem Feld, in dem Software die entscheidende Rolle spielt.
Was zeichnet ein gutes Batteriemanagement-System aus?
Mark bringt es prägnant auf den Punkt: „It’s complete transparency. Absolute complete transparency.“ Für ihn ist Datenklarheit der entscheidende Faktor, um Batteriesysteme wirtschaftlich und sicher zu betreiben. Nur wer in Echtzeit weiß, in welchem Zustand sich jede einzelne Komponente befindet, kann fundierte Entscheidungen treffen.
Ein gutes BMS müsse deshalb relevante Kennzahlen erfassen, Grenzwerte definieren und automatisch warnen, wenn Systeme außerhalb der Norm arbeiten. Besonders kritisch sei die Bestimmung des Ladezustands: „It’s very hard to get an accurate state of charge during charging or discharging... if you mismeasure it, the battery could stop performing and you lose money.“
Für Mark steht fest: Ohne präzise Datenqualität und ein verlässliches Monitoring ist kein intelligentes Energiemanagement möglich. Transparenz ist das Fundament jeder Software, die Batteriespeicher steuert.
Welche Rolle spielen Predictive Analytics und Machine Learning?
Predictive Analytics und Machine Learning gelten als Schlüsseltechnologien der Energiewirtschaft, doch Mark mahnt zur Bodenständigkeit: „You can build all of the analytics you want, but if you don’t have a measurement of the right information, then it’s worthless“, betont er.
Er verweist auf Unternehmen, die bereits mit zellgenauen Analysen von Spannungs- und Temperaturverhalten arbeiten, um Anomalien frühzeitig zu erkennen. Das Potenzial sei enorm, aber nur nutzbar, wenn die Datenbasis stimmt. „We still need to get really good at the fundamentals before getting too exotic“, sagt Mark.
Sein Fazit: KI kann die Effizienz von Batteriesystemen erheblich steigern, aber erst, wenn Transparenz, Messbarkeit und Datenzugang auf einem stabilen Fundament stehen.
Welche technischen, regulatorischen und wirtschaftlichen Hürden bestehen aktuell?
Auf technischer Ebene sieht Mark vor allem Defizite im Wärmemanagement. „We’re going 100% liquid cooled“, erklärt er, da viele Hersteller aus Kostengründen weiterhin auf Luftkühlung setzen. Das sei ineffizient, weil Luft Wärme zu langsam abführe: „Air is not an efficient way to transfer heat.“
Regulatorisch kritisiert er, dass Batterien derzeit im Nachteil seien: „100% of its charging is subject to grid fees, which destroys the economics of the battery.“ Diese Regelung sei „antiquated thinking“ und verhindere, dass Speicher ihr volles Potenzial entfalten können.
Wirtschaftlich hingegen ist die Situation günstig: „The midday price is very low, the evening peak is quite high – that spread already creates the economic opportunity.“ Die Preisvolatilität an den Energiemärkten mache Batteriespeicher bereits heute profitabel. Vorausgesetzt, die regulatorischen Rahmenbedingungen werden modernisiert.
The real asset isn’t the battery itself – it’s the ability to embed it in a system that thinks for itself. Batteries only become valuable when they can communicate with their environment — with buildings, vehicles, grids, and markets. The intelligence lies not in storing energy, but in charging and discharging at the right time, for the right purpose.”
Mark Hellmann Regouby, CEO von Electrofleet
Intelligentes Batterie-Management ist der "holy grail" der Netzdienlichkeit
Batteriespeicher entfalten ihr Potenzial erst, wenn sie mit ihrer Umgebung kommunizieren: Mit Gebäuden, Fahrzeugen, Netzen und Märkten. Dafür braucht es keine komplexere Hardware, sondern intelligente Software.
Mark von Electrofleet bringt es im Gespräch mit Niklas von slashwhy auf den Punkt: Intelligentes Batteriemanagement bedeutet, Betriebszustand, Netzbedarf und wirtschaftliche Signale in Echtzeit zu verknüpfen. Wer das beherrscht, kann Speicher nicht nur effizienter nutzen, sondern sie in neue Geschäftsmodelle überführen - von Peak-Shaving-Strategien bis hin zu dynamischem Energiehandel.
Das gemeinsame Software-Projekt von Electrofleet und slashwhy zeigt, wie das in der Praxis aussieht: Mit über 50 Echtzeit-Datenfeeds und Milliarden von Messpunkten wird klar, dass das eigentliche Asset nicht die Batterie selbst ist, sondern die Fähigkeit, sie in ein System einzubetten, das mitdenkt.


