KI in der Software-Entwicklung: Unser Starter-Guide

Wo ist KI in der Entwicklung sinnvoll? Welche Potenziale solltest du nutzen? Und welche Regeln sind notwendig?

vonRobin Kalkowski, Johannes Kasch & Simon MachowiakinGenAI

Einstieg: Was ist AI-Assisted Development?

Besonders in unternehmensinternen Software-Projekten zählt heute vor allem eines: schnell erste funktionierende Ergebnisse zu liefern. Gerade bei neuen Ideen, in Prototypen oder frühen Projektphasen müssen Teams zeigen, dass ihre Ansätze tragfähig sind, bevor es in die Ausarbeitung geht.

Traditionell bedeutete das für Entwickler:innen viel Grundlagenarbeit: recherchieren, das Projekt-Setup aufsetzen, Standardcode schreiben oder erste Funktionen testweise implementieren. Diese Aufgaben sind wichtig, binden aber Zeit, die bei Themen wie Software-Architektur, Code-Qualität und Sicherheit oft besser investiert wäre.

Genau hier setzt AI-Assisted Development an. Gemeint ist der kontrollierte Einsatz von KI-Tools in der Software-Entwicklung. Statt die Verantwortung an die KI abzugeben, wie es beim sogenannten Vibe-Coding der Fall ist, werden Tools wie ChatGPT, Cursor, Claude, GitHub Copilot, Amazon CodeWhisperer oder Gemini deutlich gezielter genutzt. Sie helfen beim Generieren von Codevorschlägen oder bei der Beschleunigung repetitiver Aufgaben. Die Entscheidungs- und Gestaltungsverantwortung bleibt aber bei den Entwickler:innen. KI wird bewusst als Werkzeug eingesetzt, nicht als alleiniger Lösungsgeber.

Abgrenzung: Sich mit "Vibe-Coding" komplett auf die KI verlassen

Vibe-Coding wird oft als spontane, komplett KI-gesteuerte Programmierweise beschrieben. Sie wurde Anfang 2025 von Andrej Karpathy, Co-Founder von OpenAI, geprägt. In seiner ursprünglichen Definition steht Vibe-Coding für einen experimentellen, impulsiven Entwicklungsstil, bei dem Entwickler:innen Code aus der KI übernehmen, ohne diesen im Detail zu prüfen oder langfristig tragfähig zu planen. Die Herangehensweise eignet sich eher für private Prototyping-Sessions oder Wegwerf-Code. Für professionelle Software-Entwicklung birgt dieser Ansatz jedoch erhebliche Risiken: mangelndes Codeverständnis, fehlende Standards, Sicherheitslücken und technische Schulden. Daher sind die beiden Ansätze "Vibe-Coding" (KI macht nahezu alles) und AI-Assisted Development" "Entwickler holt sich KI-Unterstützung bei repetetiven und aufwändigen Aufgaben) klar voneinander abzugrenzen.

Status-Quo: KI in der Software-Entwicklung

Aktuelle Studien zeigen, dass der Einsatz von KI in der Software-Entwicklung stetig zunimmt. Laut Stack Overflow (2024) nutzen oder planen 76 Prozent der Entwickler:innen KI-gestützte Lösungen in ihren Prozessen. 62 Prozent arbeiten bereits aktiv mit entsprechenden Tools, ein deutlicher Anstieg gegenüber 44 Prozent im Jahr 2023. Acht von zehn Entwickler:innen (81 Prozent) nennen Produktivitätssteigerung als größten Vorteil. Diese Zahlen verdeutlichen die zunehmende Integration von Generative AI in den Entwickleralltag.

Und doch: Nicht alle Führungskräfte und Projektverantwortliche stehen dieser Entwicklung uneingeschränkt positiv gegenüber. Deshalb beleuchten wir in diesem Artikel, wo AI-Assisted Development echten Mehrwert in der Software-Entwicklung schaffen kann, wo Risiken bestehen und wie ein bewusster Umgang mit KI-gestützten Tools hilft, die Vorteile zu nutzen, ohne typische Fallstricke zu riskieren. Wir teilen die Erfahrungen unserer Software-Entwickler:innen mit Generative AI und möchten Teams und Führungskräfte dazu ermutigen, neue Wege zu gehen. Dabei liegt der Fokus auf einem reflektierten, verantwortungsvollen und chancenorientierten Einsatz von KI in der Software-Entwicklung. Wir zeigen, welche Rahmenbedingungen für Qualität, Sicherheit und nachhaltige Software-Entwicklung notwendig sind. Und wir machen deutlich, warum wir uns von unreflektierte Arbeitsweisen wie Vibe-Coding distanzieren.

Kritik: Warum AI-Assisted Development klare Regeln braucht

So viel Potenzial AI-Assisted Development bietet, so nachvollziehbar sind auch die kritischen Stimmen, die sich in vielen Unternehmen regen. Gerade Teamleitungen, Senior Architekt:innen oder Head-of-Entwicklung äußern regelmäßig fundierte Bedenken. Typische Fragen sind:

  • „Verlieren wir wichtige Kompetenzen, wenn sich Entwickler:innen zu sehr auf KI verlassen?“

  • „Wer sorgt dafür, dass wir nicht schneller fehlerhaften Code produzieren?“

  • „Wie behalten wir Kontrolle über Qualität, Wartbarkeit und Sicherheit unserer Systeme?“

  • „Wofür bezahlen wir unsere Entwickler:innen, wenn die KI den Job macht?“

Diese Einwände sind kein Ausdruck von Fortschrittsfeindlichkeit. Sie berühren zentrale Aspekte moderner Software-Entwicklung: Das eigenständige Lösen komplexer Aufgaben, die verantwortungsvolle Gestaltung langlebiger Systeme und die nachhaltige Sicherung von Qualität und Verlässlichkeit im Code.

Sorgen entstehen vor allem dort, wo der Einsatz von Generative AI in der Software-Entwicklung unkontrolliert oder unreflektiert erfolgt. Besonders kritisch wird in diesem Zusammenhang das sogenannte Vibe-Coding gesehen. Gemeint ist eine impulsive Arbeitsweise, bei der KI-generierter Code ohne fundierte Prüfung übernommen wird. In produktiven Entwicklungsteams kann das zu schwer nachvollziehbarem Code, fehlender Konsistenz und langfristig instabilen Lösungen führen.

Diese kritischen Stimmen verdienen Gehör. Sie zeigen, dass es nicht reicht, neue Werkzeuge einzuführen, ohne sich über deren Auswirkungen auf Qualität, Kompetenz und Zusammenarbeit Gedanken zu machen. Gleichzeitig sprechen sie für eine hohe Verantwortung, die Führungskräfte, Architekt:innen und Teams in der Gestaltung moderner Entwicklungsprozesse tragen.

Denn genau dort liegt auch die Chance: AI-Assisted Development bietet nicht nur Effizienzgewinne, sondern eröffnet neue Wege der Zusammenarbeit, des Lernens und der Weiterentwicklung im Team. Wenn KI gezielt eingesetzt wird, um Routinen zu entlasten und Raum für konzeptionelle Tiefe zu schaffen, entsteht kein Kontrollverlust, sondern ein gemeinsamer Kompetenzgewinn. Im nächsten Kapitel untersuchen wir deshalb, welche Potenziale hinter AI-Assisted Development stecken und wie Unternehmen diesen Ansatz ohne Abstriche bei Qualität und Verantwortung anwenden können.

Potenziale: Wo KI in der Software-Entwicklung wirklich sinnvoll ist

AI-Assisted Development ist kein Standardprozedere, sondern ein Werkzeug, das wir gezielt und verantwortungsvoll einsetzen. Dort, wo es fachlich passt, vertraglich erlaubt ist und dem Team tatsächlich hilft. Denn gerade in professionellen oder gar regulierten Projekten braucht es dafür klare Rahmenbedingungen und abgestimmte Prozesse. Wo diese Voraussetzungen erfüllt sind, kann KI repetitive Aufgaben vereinfachen und so Freiräume für konzeptionell anspruchsvollere Themen schaffen: Architektur, Qualität, Kommunikation. Besonders wirksam ist das bei standardisierten Aufgaben mit geringem kreativen Spielraum. Drei Einschätzungen aus unserem Entwickler:innen-Team:

  • Beim Schreiben von Boilerplate-Code für API-Endpunkte sparen Entwickler:innen im Durchschnitt rund 40 Minuten pro Aufgabe. Bei etwa 20 neuen Endpunkten pro Monat ergibt das eine Entlastung von über 13 Stunden.

  • Auch bei der Generierung von Testdaten kann KI unterstützen. Statt eine Stunde manuell zu investieren, reichen mit AI-Unterstützung oft 10 Minuten. Bei 10 Testsets pro Monat entstehen so weitere 8,3 Stunden Zeitgewinn.

  • Die Erstellung einfacher Konfigurationsdateien lässt sich ebenfalls beschleunigen. Aus durchschnittlich 30 Minuten Aufwand werden mit KI etwa 5 Minuten. Bei acht Vorgängen im Monat spart das nochmals rund 3,3 Stunden.

In Summe ergibt sich eine theoretische Zeitersparnis von über 24 Stunden pro Monat und Entwickler:in. Bei einem typischen Stundensatz von 120 Euro entspricht das einer Entlastung von knapp 2.900 Euro pro Monat. Diese kommt nicht durch Einsparungen zustande, sondern durch bessere Verteilung der Ressourcen. Denn diese Arbeitszeit fällt nicht weg, sondern kann gezielt anders genutzt werden. Statt sie in wiederkehrende Aufgaben zu investieren, gewinnen Teams Zeit für nachhaltige Architektur, die Optimierung komplexer Geschäftslogik oder den intensiven Austausch im Team. Also für das, was langfristig Qualität schafft.

Gerade bei sicherheitsrelevanten Themen, bei langfristig tragfähigen Architekturen oder in der Konzeption neuer Systemteile ist KI nicht Ersatz, sondern maximal Unterstützung. Die Verantwortung für Struktur, Sicherheit und Wartbarkeit sehen wir weiterhin bei den Menschen im Team.

AI-Assisted Development entfaltet seine Stärke dort, wo technische Sorgfalt und KI-Unterstützung Hand in Hand gehen. Der nächste Schritt ist deshalb, klare Prinzipien und Rahmenbedingungen zu definieren. Das ist notwendig, damit die Vorteile der KI nicht zufällig, sondern gezielt wirken und ein unsicherer "Wildwuchs" von Tools und Prozessen vermieden wird.

Fazit: AI-Assisted Development als gemeinsame Verantwortung gestalten

AI-Assisted Development verändert nicht nur die Werkzeuge der Software-Entwicklung, sondern auch die Arbeitsweise in Teams. Viele Aufgaben lassen sich mit KI-Unterstützung deutlich schneller erledigen. Erste Ergebnisse entstehen oft innerhalb von Stunden statt Tagen. Das kann wertvolle Freiräume für konzeptionelle Arbeit, Austausch im Team oder saubere Architekturentscheidungen schaffen.

Doch gerade in dieser Beschleunigung liegt auch eine Gefahr. Wenn KI-generierter Code unkritisch übernommen oder voreilig zur Grundlage für weitere Entwicklungen gemacht wird, entstehen Strukturen, die weder nachvollziehbar noch stabil sind.

Ein schnell erstellter Prototyp ist kein fertiges Produkt. Der Übergang erfordert Disziplin, Teamarbeit und klare Qualitätsstandards. Was mit Unterstützung von Generative AI entsteht, muss genauso prüfbar, wartbar und verantwortungsvoll gestaltet sein wie manuell geschriebener Code.

AI-Assisted Development entfaltet sein Potenzial dann, wenn KI als Werkzeug verstanden wird und nicht als Ersatz für Kompetenz, Erfahrung oder Kommunikation. Führungskräfte, Architekt:innen und Entwickler:innen tragen gemeinsam die Verantwortung dafür, wie KI in ihre Prozesse integriert wird. Sie entscheiden, ob daraus kurzfristige Entlastung oder langfristiger Fortschritt entsteht.

Richtig eingesetzt, macht KI Teams nicht überflüssig, sondern stärker. Nicht schneller allein ist das Ziel, sondern besser. Wer AI-Assisted Development verantwortungsvoll einführt, schafft die Grundlage für nachhaltige Software-Entwicklung. Effizient, teamorientiert und zukunftssicher.

Klingt spannend?

Du möchtest KI in deinen Entwicklungsprozess integrieren und zunächst abwägen, was möglich und sinnvoll für dein Team ist?

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Über die Autoren

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    Über Robin Kalkowski

    Robin ist Mobile Developer in der Consumer Electronics Crew bei slashwhy und hat in verschiedenen Unternehmensgrößen, von Start-ups bis zu Konzernen, wertvolle Erfahrungen gesammelt. Seine Leidenschaft gilt der Entwicklung von Software-Lösungen, die technisch gut umgesetzt und benutzerzentriert sind. Robin setzt auf kontinuierliche Verbesserung, enge Zusammenarbeit und eine klare Ausrichtung auf die Bedürfnisse der Nutzer, um nachhaltige Lösungen zu schaffen. Dabei interessiert er sich nicht nur für neue Technologien, sondern auch für die Weiterentwicklung von Prozessen, die Software-Entwicklung effizienter und zukunftsfähiger machen.

  • johannes-kasch

    Über Johannes Kasch

    Komplizierte Themen aus der Digitalwirtschaft möglichst einfach erklären und emotional aufladen: Diese Mission verfolgt Johannes in seiner täglichen Arbeit bei slashwhy. Als Content Marketing Specialist ist er z.B. in unsere Social Media Profile und diesen Blog involviert. Mit 10 Jahren Erfahrung in Medienproduktion, Brand Building und Redaktion unterstützt der studierte Kommunikationswissenschaftler unsere Branchenexpert:innen beim Vermitteln von Fachwissen oder gibt unseren Leser:innen Einblick in spannende Software-Projekte.

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    Über Simon Machowiak

    Simon´s Fokus liegt auf dem Aufbau integrierter, datengetriebener Marketing-Ökosysteme, die Content, Performance Marketing, Design und Technologie kanalübergreifend verbinden. Somit steuert er B2B-Marketingstrategien in komplexen, oft erklärungsbedürftigen Märkten – mit dem klaren Fokus, messbaren Beitrag zum Unternehmenserfolg zu leisten. Mein Ansatz: Marketing nicht als reines Kommunikationsinstrument zu verstehen, sondern als integralen Bestandteil der Wertschöpfung, der eng mit Sales, Product und Business Development verzahnt ist.